USA: Nach Problemen neue, verbesserte Norm für Notsignalgeber
(ar/bl) Notsignalgeber (auch als "Totmann-Melder" bezeichnet) sind im Grunde Bewegungsmelder, die einen akustischen und optischen Alarm auslösen, wenn sich der Träger des Notsignalgebers über einen definierten Zeitraum (ca. 30 s, modellabhängig) nicht bewegt. In diesem Fall wird angenommen, dass der AGT bewusstlos bzw. bewegungsunfähig ist und eine Notfallsituation vorliegt. Eine sofortige manuelle Auslösung ist ebenfalls möglich. Durch den optischen und akustischen Alarm soll auf den Notfall aufmerksam gemacht werden und den Rettungskräften eine Orientierungshilfe zum Auffinden des Verunfallten gegeben werden.
Die Verwendung von Notsignalgebern (NSG) an PA ist in den USA sehr weit verbreitet, mancherorts hat jede Einsatzkraft einen persönlichen NSG. In den USA wird der Notsignalgeber PASS genannt, was für personal alert safety system steht. In der US-Fachöffentlichkeit kam es in der Vergangenheit zu großen Diskussionen um die mangelnde Funktionssicherheit o.g. NSG. Folgender Artikel soll einen Überblick über diesen Sachverhalt geben. Laut einem Bericht von MSNBC haben Versuche mehrerer Bundesbehörden und auch unabhängiger Labore gezeigt, dass NSG in ihrer Funktion beeinträchtigt werden können, wenn sie zu starker Hitze oder Feuchtigkeit ausgesetzt werden. Nachforschungen haben ergeben, dass fehlerhaft funktionierende NSG bei 15 Todesfällen seit 1998 eine Rolle gespielt haben. Die NSG funktionierten entweder gar nicht oder waren so leise, dass sie von den Rettungskräften nicht gehört werden konnten. Jeder dieser verunfallten AGT trug einen integrierten NSG. In 12 von 15 Fällen wurde gar kein akustischer Alarm gehört. In drei Fällen wurde der akustische Alarm stark gedämpft, da die Opfer auf dem NSG lagen und ihn somit verdeckten. Als Rettungskräfte die Opfer fanden und herumdrehten, war der Alarm zu hören.
Rückblick
Die erste Generation NSG, die in den USA bereits in den frühen 1980ern eingeführt wurde, hatte mit der Akzeptanz bei den FA zu kämpfen: Da die NSG auch auslösen, wenn AGT pausieren und sich deswegen nicht bewegen, aktivierten die FA sie erst gar nicht, weil sie von diesem "Piepen" genervt waren. Als Antwort darauf führte die National Fire Protection Association (NFPA) eine Norm ein, die verlangte, dass die NSG automatisch aktiviert werden, wenn die Luftversorgung angeschlossen wird (integrierte NSG)
Ein Mitarbeiter des NIOSH (National Institute of Occupational Health and Safety; Bundesbehörde, die Unfälle mit Todesfolge im Auftrag des CDC - Center for Disease Control and Prevention untersucht) wurde auf die fehlerhaften NSG bei den ersten 6 Todesfällen aufmerksam. Dieser Brandschutz-Ingenieur untersuchte den Unfall von Keokuk, Iowa von 1999. Bei diesem Unfall starben drei Feuerwehrleute und drei Kinder, welche die FA zu retten versucht hatten. Jeder der FA trug zwei NSG - einen integrierten und einen, der manuell aktiviert werden musste. Der Ingenieur fand es befremdlich, dass keiner der vor Ort anwesenden FA die NSG hörte. Daher wollte er die Aufzeichnungen des Funkverkehrs kontrollieren, ob man darauf den akustischen Alarm hören könnte. Die vom Ingenieur angestrebte Kontrolle der Funkaufzeichnungen wurde jedoch von seinen Vorgesetzten untersagt. Ermittlungen nach Details bei diversen Unfällen wurden ihm ebenso untersagt. Dieser Ingenieur hatte auch Kenntnis von einem Unfall in New York City 1998, bei dem zwei FA bei einem Hochhausbrand starben und auch kein NSG-Signal gehört wurde. Ein dritter FA starb ebenfalls bei diesem Brand, sein NSG löste jedoch aus. Diese Informationen finden sich im Untersuchungsbericht des CDC vom August 1999. Der o.g. Mitarbeiter des NIOSH wurde jedoch von seinen Vorgesetzten angewiesen, diesen Sachverhalt nicht weiter zu untersuchen, da laut den Vorgesetzten das NIOSH nicht genügend Ressourcen zur Verfügung hat, um jeden Fall zu untersuchen oder jeder Fährte zu folgen. Am selben Tag, an dem diese Anweisung erteilt wurde, kam es zu einem weiteren Todesfall. In Houston, Tx., starb eine weibliche FA beim Brand eines Schnellrestaurants (NIOSH-Untersuchungsbericht). An ihrem PA befand sich ein NSG, hergestellt von Scott Health & Safety, dem U.S.-Marktführer für PA. Das Opfer und ein weiterer FA nahmen eine Schlauchleitung im Innenangriff vor. Im Inneren des Gebäudes wurde die Hitze sehr intensiv und 10 m hohe Flammen kamen aus dem Dach. Der Einsatzleiter ordnete die Evakuierung an, jedoch kamen die beiden o.g. FA nicht aus dem Gebäude. Sie waren von der herabstürzenden Decke begraben. Ein NSG wurde gehört. Es war der des weiteren FA, der auch im Innenangriff war. Er konnte lebend gerettet werden, starb jedoch später im Krankenhaus. Das CDC fand heraus, dass der NSG des weiblichen FA jedoch nicht gehört wurde. Es dauerte 2 h, bis ihr Leichnam gefunden wurde, nur 2 m von der Tür entfernt. Vier Monate nach diesem Unfall wurde der Ingenieur des NIOSH wegen „mangelnder Leistung“ entlassen. Er ermittelte jedoch in der Angelegenheit NSG privat weiter. Er bat die Direktorin des CDC, auch offiziell weiter ermitteln zu lassen. Diese Bitte wurde jedoch nicht beantwortet.
Im November 2000 verlor in Pensacola/Florida ein FA die Orientierung bei einem Wohnungsbrand (NIOSH-Untersuchungsbericht). Rettungskräfte suchten über eine Stunde nach ihm, bis sie ihn in der Küche an der Rückseite des Hauses fanden. Sein NSG wurde weder akustisch noch visuell wahrgenommen.
Im Mai 2001 war in Passaic, N.J., ein FA im Innenangriff, als er in eine Notsituation geriet. Rettungskräfte konnten seinen NSG erst hören, als sie ihn nach einer Stunde Suche fanden und ihn umdrehten, da er auf dem NSG lag. Bei der Untersuchung im Labor des CDC funktionierte der NSG auch nicht; der Untersuchende verfolgte die Angelegenheit jedoch nicht weiter, da es nicht Aufgabe des CDC die NSG zu zertifizieren. Er leitete den NSG jedoch auch nicht weiter an das Safety Equipment Institute, das für die Zertifizierung notwendig ist.
Im März 2002 war einem AGT in Jefferson City, Tenn. ebenfalls bei einem Wohnungsbrand der Rückzug versperrt. Nach 18 min wurde er knapp 2 m von der Tür entfernt gefunden. Sein NSG hatte ausgelöst, jedoch lag das Opfer auf ihm und dämpft ihn somit.
Im Mai 2002 wurde ein FA in St. Louis beim Brand einer Kühlgerätefirma verletzt und abgeschnitten. Sein NSG wurde nicht wahrgenommen. Ein weiterer FA suchte im falschen Bereich des Kühlhauses nach dem ersten FA, wobei er jedoch auch die Orientierung verlor. Beide Männer starben.
Am 19. Januar 2003 starb ein FA in Texas beim Brand einer Autowerkstatt. Er verlor die Orientierung, wurde abgeschnitten und im Anschluss durch eine Explosion verletzt. Auch sein NSG wurde erst hörbar, als das Opfer angehoben wurde.
Im selben Jahr, 2003, bemerkte das CDC auch offiziell, dass es Probleme mit den NSG gibt. Auch dann noch dauerte es jedoch ein Jahr, bis das CDC eine Warnung an die NFPA herausgab.
In New York City verlor am 16. Dezember 2003 ein FA die Orientierung bei einem Brand in einem Matratzenlager. Es dauerte 30 min, bis er gefunden werden konnte. Als er umgedreht wurde, gab sein NSG einen sehr leisen Laut von sich, der Ähnlichkeit mit dem Geräusch eines Kurzschlusses hatte. Bei diesem Todesfall sah das CDC den ersten Beweis, dass die typischen Wärmebedingungen die Funktion von NSG negativ beeinflussen.
Ein Team des CDC untersuchte die Unfallstelle am 26. Januar 2004, bat jedoch erst am 20. April 2005 (450 Tage später) die NFPA, die Norm für NSG zu verschärfen. In diesen 450 Tagen starben zwei weitere FA bei Unfällen, wo Rettungskräfte sie nicht finden konnten:
In Carthage, Missouri, starb ein FA am 18. Februar 2004. Während das Opfer im Vorderbereich des Hauses lag, suchten die Rettungskräfte im hinteren Bereich. Es dauerte 43 min, ihn zu finden.
In Baytown, Texas starb ein weiterer FA am 20. Dezember 2004. Er wurde nach 15-minütiger Suche gefunden, ca. 5 m von der Tür entfernt.
Um die Ursache für das Versagen der NSG zu finden, unterzog das National Institute of Standards and Technology zwei NSG einem Wärmeversuch. Bei Raumtemperatur funktionierten die NSG optimal, bei Temperaturen von 220 °C nahm die Lautstärke jedoch um 14 Dezibel ab. Nach dem Abkühlen nahm die Lautstärke wieder zu. Dies kann zu der falschen Annahme führen, dass ein NSG, der nach einem Einsatz mit einem Toten funktionierte, auch während dem Einsatz fehlerfrei war.
Im April 2005 schließlich forderte das CDC erhöhte normative Anforderungen an NSG. Versuche, die nach dieser Forderung vorgenommen wurden, zeigten, dass einige NSG bei den Temperaturen, die üblicherweise im Innenangriff auftreten können, versagen können.
Bei zwei Modellen wurde festgestellt, dass die Lautstärke des akustischen Alarms bei Temperaturen von ca. 170 °C stark abnimmt. Die Forscher waren der Meinung, dass alle derzeit auf dem US-Markt erhältlichen NSG derartige Probleme hätten.
Darüber hinaus hatten NSG von mindestens drei US-Herstellern in den vergangenen Jahren Probleme mit der Wasserdichtigkeit, wobei Wasser an die Steuerelektronik und die Batterieeinheiten gelangte, wodurch entweder der akustische Alarm permanent aktiviert war oder der NSG vollständig funktionsunfähig war.
Nach der alten Norm von 1998 mussten NSG eine Wasserbeaufschlagung von 2 h sowie weitere 5 min mit offenem Batterieschacht überstehen.
Seit 2000 dagegen benutzten Feuerwehrleute in Dallas Haartrockner, um die NSG zu trocknen. Feuchtigkeit führte nämlich dazu, dass die NSG konstant piepten.
Die Probleme wurden an den Hersteller gemeldet und im Normungskommitee wurde klar, dass diese Probleme kein Einzelfall waren.
Nach Aussagen einer Herstellerfirma war das Problem von nicht wasserdichten NSG seit 1997 oder 1998 bekannt. Bis 2003 wurde von dieser Firma versucht, das Problem zu lösen. Weitergehende Maßnahmen wurden für nicht notwendig erachtet, da die NSG „keine lebensrettenden Ausrüstungsgegenstände“, sondern nur ein „Teil eines lebensrettenden Ausrüstungsgegenstandes“ seien.
Aktuell
Am 1. Dezember 2006 wurde von der NFPA eine neue Norm für NSG veröffentlicht, die strengere Anforderungen an NSG stellt. Bis NSG auf dem Markt sind, die dieser Norm entsprechen, kann es aber laut den Herstellern noch einige Monate dauern.
Die neue Norm verlangt neue Tests für NSG bezüglich Wärmeverträglichkeit und Wasserdichtigkeit. Die maximal zu ertragenden Temperaturen sind nicht höher als in der alten Norm: 280 °C für fünf Minuten und 830 - 1200 °C für 10 s (Flashover-Test). Die neue Norm fordert jedoch, dass die NSG auch nach diesen Tests noch akustische Alarme produzieren können (die alte Norm forderte nur, dass die NSG nicht schmelzen oder Feuer fangen). Nach der neuen Norm müssen NSG auch lauter sein, damit man sie auch hören kann, wenn ein AGT auf ihm liegt.
Quelle: http://www.msnbc.msn.com/id/16971824/
Anmerkungen
An o.g. Geschehnissen kann deutlich abgeleitet werden, wie wichtig es ist, aus Unfällen der Vergangenheit seine Lehren zu ziehen und Maßnahmen zu treffen, um ähnliches in Zukunft zu vermeiden. Augenscheinlich kam es beim NIOSH zu Problemen, was die Untersuchung diverser Vorfälle betrifft. Zumindest jedoch gibt es in den USA eine zentrale Behörde, die im Auftrag des Bundes Ermittlungen wie die o.g. betreibt und somit versucht, die Sicherheit von Feuerwehrleuten zu erhöhen. Auch deutlich wurde, wie wichtig es ist, dass derartige Meldungen über Fehlfunktionen und Unfälle zentral ausgewertet und begutachtet werden, da nur so eine derartige Häufung von Problemen schnell erkannt werden kann. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass NSG quasi nur die letzte Verteidigungslinie für AGT bilden; auch eine kausale Wirkung defekter NSG bei den o.g. 15 Todesfällen konnte nicht definitiv nachgewiesen werden.
In Deutschland existieren für Notsignalgeber keinerlei Normen oder Richtlinien. Obwohl Notsignalgeber in der FwDV7 empfohlen werden, ist ein großer Teil der deutschen Feuerwehren noch nicht mit diesen hilfreichen Geräten ausgerüstet. In einigen vorbildlichen Feuerwehren sind Notsignalgeber seit Jahren Standard.